Ingi am Brett in Dortmund

Damit die Ferien nicht allzu langweilig werden, spielen Ingmar und Alwin zum ersten Mal bei der hochbesetzten internationalen Dortmunder Chess Trophy mit (Etwas sponsorbedingte Namensverwirrung: früher waren es die Internationalen Dortmunder Schachtage, jetzt ist es die Sparkassen Chess Trophy – man kann vor der Ökonomisierung des Sports schlecht die Augen verschließen – wir schlendern vom Hotel durch den  Signal-Iduna-Park zum Turnier). 

Für Alwin ein entspanntes Turnier: mit Setzplatz 156 von über 300 im A-Open-Turnier würde er praktisch nur gegen Teilnehmer spielen, die ein paar hundert Punkte über ihm liegen (erstmal). Von daher hat er nichts zu verlieren und kann befreit aufspielen. Die Top-Plätze über 2600 und mit Legenden wie Gata Kamsky im Feld – das verspricht ein interessantes Turnier zu werden. Ingmar spielt im B-Open-Turnier: Auf Setzplatz 47 von über 200 Teilnehmern ist er im oberen Feld gesetzt und nah der 1800er Obergrenze der Gruppe. Er wird also nicht viel ELO gewinnen können, sondern hauptsächlich seine Turnierhärte beweisen müssen, indem er nicht zu viele Punkte an niedriger gesetzte abgibt.

Paarungen, Listen, Tabellen auf der Turnierseite: 50. Internationale Dortmunder Schachtage (in den Menüs nach A- und B-Open suchen); die Informationen auf der Turnierliste sind etwas rudimentär und unübersichtlich – besser kann man die Spieler bei chess-results.com verfolgen, an die die Turnierstände übertragen werden: Ingmar in der B-Open Alwin in der A-Open

Physisch wird das Ganze eine Herausforderung: schon morgens geht es in Richtung 30 Grad. Der Turniersaal ist zum Glück klimatisiert. Anders als bei Wertungs- und Amateurturnieren gibt es allerdings kein freies Wasser. Die Veranstalter könnten sich überlegen, dem Turnier vielleicht eine etwas menschenfreundlichere Note zu verleihen.

Tag 1

Ingi am Brett in DortmundIngi bringt sein Spiel nach Hause. Für die ersten Spiele wird er erstmal nur auf Schwächere treffen – aber jedes Spiel kann auch verloren werden. Ein guter Start. Bei Alwin eine kleine Sensation: er gewinnt gegen die starke polnische IM (nicht WIM wohlgemerkt) Klaudia Kulon. Das ist gut fürs Ego und Rating. Das Schweizer System wird ihm jetzt allerdings noch stärkere Gegner zuweisen.

Tag 2

Ingis Gegnerin hat noch nie gegen jemand mit seiner DWZ gewonnen – die Bringschuld also klar bei ihm. Nach 3 Stunden ist es rum – Ingi gewinnt das Endspiel. Die A-Gruppe spielt immer erst am Nachmittag – Alwin kann sich also noch etwas vorbereiten und mit Ingi Analyse machen – ausnahmsweise mal kein Rumgemäkel an Ingmars Eröffnung. Alwin spielt gegen einen indischen IM mit einer GM-Norm. Dieser kam allerdings erstaunlich schlecht ins Spiel, so daß Alwin bis zur Mitte Vorteil hatte. Der versickerte im weiteren Verlauf leider dropje voor dropje bis nach 5 Stunden kein Punkt für Alwin mehr übrig blieb. Naja – der Sieg in der ersten Runde bringt halt starke Gegner.

Tag 3

 Ingi musste nun gegen einen freundlichen älteren Herren aus Norwegen antreten, der allerdings eine trügerisch niedrige ELO hatte, was angesichts seiner 2 Siege bis dahin etwas verwunderte. Das Gedächtnis des Internet enthüllte dann, dass er 2007 bei knapp 1900 war und dann 16 Jahre keine aktenkundigen Spiele mehr gemacht hatte, bis er jetzt wieder angefangen hatte Schach zu spielen. Also niemand, den man unterschätzen durfte. Nach 3 Stunden trennten sie sich remis. Alwin erreichte gegen einen österreichischen FM ebenfalls Remis.

Tag 4

Alwin erholt sich - Schach ist nicht allesIngmar musste gegen Setzplatz 3 antreten, ein älterer Spieler mit immerhin 1900. Ingi könnte hier defensiv und mit einem Remis zufrieden sein. Den älteren Herrn stach allerdings der Hafer und er versuchte sich durch einen Najdorf zu blitzen – naja – um gegen routinierte Jugendspieler mit schnellem Spiel erfolgreich zu sein, braucht man normalerweise einen satten Vorsprung. Spielpraxis und Agilität sind oft auf Seiten der Jugend – es gibt mehr Jugend- als Senioren-Schnellschachturniere. Und so bekam Ingi seinen Punkt, noch bevor ich vom Provianteinkauf zurück war. Alwin traf auf einen extrem aggressiv spielenden, polnischen FM. Alwin bewunderte seinen Stil beim Studium der veröffentlichten Partien, und musste sich gleichzeitig neue Varianten zurecht legen, weil der FM einige von Alwins Leib- und Mageneröffnungen spielte. Da galt es, nicht gleich ins offene Messer zu laufen. Wie erwartet rollte ein massiver Angriff auf Alwin zu – doch nach 3 Stunden versickerten die letzten Wellen ohne den König zu erreichen. Remis gegen 2391 – kein Grund zur Traurigkeit.

Tag 5

Nach heute ist die Hälfte rum. Ingmar hat sich beharrlich bis auf Brett 6 emporgespielt und trifft dort auf einen 1799er deutschen Vereinsspieler. Schwer einzuschätzen – keine veröffentlichten Partien. Alwin trifft auf eine ungarische WIM, also wieder ein Spiel bergauf, diesmal gegen 2320 ELO. Nach einer ausgeglichenen und langen Partie spielt sich Ingi in ein Remis-Endspiel. Da macht er den vorletzten Fehler und gewinnt unerwartet. Schön, dass auch der Schiedsrichter sich mal wundern darf – der hatte das Spiel schon als Remis abgehakt. Die WIM war unerbittlich – nach 5 Stunden das Grand Prix Erlebnis: Germany zero points. Auf der anderen Seite muss man sehen: die deutschen Nationalfußballer verlieren in der Zeit gleich zweimal.

Tag 6

Ingmar hat sich auf Brett 4 geschoben und spielt nun gegen einen Spieler aus Malaysia. Ein internationales Turnier hat schon ein anderes Flair, als ein nationales. Vom Rating sind beide praktisch gleichauf – es wird also spannend. Die meisten Spieler, die auf internationale Schachtouren gehen, sind etwas motivierter als die Kollegen aus der Nachbarschaft. Alwin muss nun erstmals gegen einen tiefer gesetzten antreten und sich erst wieder in seine Ratinggruppe zurückspielen.Nach drei Stunden hält Ingi das Remis – der Gegner hat zwar einen Läufer für einen Bauern, aber die Stellung ist mit 13 Bauern auf dem Brett so geschlossen, dass er daraus keinen Vorteil ziehen kann. (Der Malaisier wurde Turniersieger des B-Open) Alwin siegt vergleichsweise problemlos.

Tag 7

Trotz seines Remis rutscht Ingmar ein Brett weiter nach oben und spielt diesmal gegen Setzliste 7 (er selbst ist 47). Der Gegner hat mehr als 100 ELO mehr – viel höhere hat die Gruppe nicht zu bieten. Alwin spielt wieder gegen einen deutlich tiefer Gesetzten. Vielleicht kommt er nach noch einem Sieg wieder bei seinesgleichen an. Ingi verliert gegen einen sicheren Gegner. Alwin schleppt sich ungefährdet durch ein fast 5 Stunden Spiel und kommt jetzt wieder ins stärkere Feld.

Tag 8

Durch die Niederlage ist Ingmar wieder auf Brett 8 zurückgefallen. Dachten wir vorher noch, stärkere Gegner würde er nicht mehr bekommen, müssen wir uns jetzt eines Besseren belehren lassen: er trifft auf Setzplatz 4 mit 1888. Alwin bekommt wieder Gelegenheit sich zu beweisen: er darf gegen den französischen IM Julien Song spielen – seine Chance zur Berühmtheit, denn M. Song ist Schach Influencer mit über 130000 Followern. Ingi spielte ein sicheres, unspektakuläres Remis – sein Bruder ist zwar immer für schärfere Varianten, aber gegen einen Stärkeren kann man auch einmal bescheidener aufspielen. Ingmar will gegen Ende seine Chancen in den Wertungsgruppen (U14) nicht verlieren. Alwin hatte keinen guten Tag. Nach eigenem Kommentar rechnete er zu oft nicht tief genug, und auch, wenn der IM ihn nicht gleich dafür bestrafte, erwischte es ihn am Ende doch. Er hat ja schon gezeigt, daß man auf dem Niveau mit ihm rechnen kann – aber dazu muss er dann auch in Topform sein. Schlechter Tag – Enttäuschung – aber so ist es. Wir sind keine Computer.

Tag 9

Ingmar macht sich noch Hoffnung auf einen Platz in der U14 Wertung. Kann er haben, wenn er seinen direkten, spanischen Konkurrenten aus der U14 morgen besiegt. Dank seiner heroischen Buchholz – er hat gegen mehrere Topspieler gespielt – könnte ein Remis reichen, aber das ist mir zu kompliziert. Ich habe ihm die Daten in ein Excel-Sheet importiert – soll er mit seinen Planungen glücklich werden. Alwin beendet das Turnier mit einem alten Bekannten aus Köln. Ingi gewinnt das U14 Duell – wir haben etwas Mitleid mit dem Konkurrenten: seine Eltern haben ihn sowohl in Gruppe A als auch in Gruppe B antreten lassen – also zwei Spiele am Tag, wo selbst die GMs nur eins spielen müssen – ein wenig hart für einen U14. Da kann man ihm die Erschöpfung nicht übel nehmen. Ingi gewinnt relativ schnell. Mir tut das doppelt strapazierte Knd etwas leid. Alwin bringt sein Spiel gegen einen NRW-Kollegen von KKS sicher nach Hause.

Fazit

Ingmar hat erfreulich stabil gespielt – vielleicht wegen der Routine, die er sich bei der ODJM draufgeschafft hat. Diesmal kein Blitzen und kaum Patzer – klar hätte er einiges besser, aber auch vieles schlechter machen können. Gesetzt an Platz 47 schafft er es auf Platz 8 und gewinnt die Wertungsgruppe U14 – hier hätte ihn noch die NRW Meisterin gefährden können, doch die trat in der letzten Runde nicht an – wir müssen mal fragen warum.

Oben auf der Bühne spielen die Super GMs - unten das VolkAlwin war an 154 gesetzt und endete auf Platz 104.  Er hadert etwas mit seinen verpassten Chancen – aber er hat hier seinen bisher höchsten Sieg gegen über 2300 ELO einfahren können. Andere waren in Reichweite, aber mühsam nährt sich das Eichhörnchen.

Insgesamt ein klarer Erfolg für beide. Ingmar holt 64 ELO, Alwin 40. Da die Turniere angeblich sowohl nach ELO als auch nach DWZ ausgewertet werden, schafft Ingi damit den Sprung über die 1800, so dass er demnächst auch in den höheren Gruppen spielen kann. Alwin bekommt 40 ELO – die 2200 kommt in Reichweite.

Das Turnier war ein großes Erlebnis – Die Teilnehmer kamen aus 43 Ländern, praktisch die gesamte deutsche Nationalmannschaft spielte, und ein paar Super-GMs waren auch dabei. Wir werden nächstes Jahr auf jeden Fall versuchen, wieder teilzunehmen.

 

 

 

 

 

Von admin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert